Hussein Habasch
AFRIN und das Lebewesen, das Mensch genannt wurde
Gedichte Deutsch-Kurdisch Hogir Verlag. Bonn 2018
Eine Würdigung von Celia Schmidt:
Verraten – doch nicht vergessen
Worte, aus Staub und Trümmern der zerstörten Heimat geformt – bittersüße Poesie in einer bleiernen Zeit.
Hussein Habasch schreibt an gegen die eigene Ohnmacht und Verzweiflung – angesichts nicht endender Vernichtung, Unterdrückung, Verfolgung und Demütigung seines kurdischen Volkes. Seine Welt am Abgrund. Sinnlosigkeit des Zerstörens und Mordens im Namen einer Religion, einer Ideologie oder der Profitgier um Ressourcen – im Schachspiel der Mächtigen, wo wir die Bauernopfer sind. Unsere Welt voller Widersprüche und Unmenschlichkeit. P
oesie und Politik. Schwere Kost.
Dennoch: Seine Worte – klar und schlicht gesetzt – malen eine Mischung aus grausamen Bildern des Kriegsgeschehens und einem verschwindenden Leben voll Schönheit, Düften und Liebe. Erinnerungsbilder. Symbolisch vielschichtig. Er nimmt uns an die Hand, schafft Zufluchtsorte der Poesie – sanft und aufrüttelnd zugleich, in denen die Schwermut versiegen kann. Schreiben ist notwendig in Zeiten der entsetzten Sprachlosigkeit.
Er mahnt und appelliert an eine Mit-Menschlichkeit, die verloren gegangen ist. Sein in tiefer Traurigkeit gebrochener Blick auf das, was war und nicht mehr ist – zerstört durch Menschen, die Nachbarn sind und Freunde waren. Beklemmend. Eine Klage – ohne Bitterkeit oder gar Hass. Nur mit fragendem Unverständnis über das Leid, das Mensch dem Menschen antut.
Hussein Habasch, der Poet, versucht, Halt zu finden und Halt zu geben in Geschehnissen, die ihm und so vielen (nicht nur) kurdischen Menschen den Boden unter den Füßen wegziehen. Er schreibt und dichtet, damit wir frei werden, eine Zukunft zu denken und einzufordern, in der das Recht auf friedliche Selbstbestimmung auch dem kurdischen Volk wie selbstverständlich zugestanden wird.
Wieder vermittelt uns der großartige Lyriker eine Begegnung mit dem Kurdisch-Sein, das tiefgründig, Schmerz erfahren und dennoch voll zärtlicher Romantik ist. Faszinierend, wie er diese Widersprüche in schlichte und doch inhaltsschwere Verse zu bringen versteht – aus Sicht der deutschen Sprache. Wie dies die kurdische Leserschaft empfindet, bleibt zu bewerten ihr überlassen – in ihrer kurdischen Muttersprache, die Hussein Habasch verdienstvoll pflegt und weiterreicht – gegen jedes Vergessen. Wir erschauern und bleiben als Leser und Leserin aufgewühlt zurück. Noch ein Wort zum Cover des Buches, zu Umschlaggestaltung und Titelbild von Yahya Silo: Die orange-gelben Farben leuchten in Wärme und Licht, doch das Bild in grafischer Dichte und kühlem Blau versinnbildlicht die menschliche Tragik. Eindrucksvoll!
Gesicht der Hoffnung
Ich erschaffe dieses Gesicht für die Zukunft
nicht dass es mit der Bombenexplosion gewaschen wird
nicht dass es frühstücken möchte
zwischen den Verwundeten und Ermordeten
aber das Heulen der Lebenden
in den Trümmern erlaubt nicht
dass ihm der Bissen im Halse stecken bleibt
Ich male dieses rosige hoffnungsvolle Gesicht
das Gesicht das sich mit den Strahlen
der Liebe aufwärmt
(Zitat S. 133)
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